Wie wirkt sich das Stadtklima auf die Mobilität aus?

„Es gibt kein falsches Wetter, nur falsche Kleidung“ – wer kennt dieses Sprichwort nicht? Tatsache ist jedoch, dass das Wetter beeinflussen kann, für welches Verkehrsmittel sich Menschen in Städten entscheiden. An der frischen Luft unterwegs zu sein, macht zwar Spaß – bedeutet aber, Sonne, Regen, Wind und Temperaturen ausgesetzt zu sein. Und mit dem Klimawandel nehmen Wetterextreme wie Starkregen und Hitzetage zu [1,2].

Foto von Siiri Tunn

 

„Schattige Bäume an Rad- und Gehwegen, öffentliche Trinkbrunnen oder auch überdachte Bushaltestellen: Es gibt Handlungsspielräume, um aktive Mobilität trotz Klimawandel angenehm zu gestalten. Doch dafür müssen Städte wissen, welche Wetterbedingungen zukünftig auf sie zukommen und was das für die Mobilität der Menschen bedeutet.“

Siiri Tunn,

Stadtklimatologin an der FU Berlin


Status quo: Bei welchem Wetter ist Radfahren beliebt?

Viele Studien zeigen bereits, dass das Wetter einen Einfluss auf die Mobilität haben kann. Bei höheren Temperaturen verbringen die Menschen meist mehr Zeit draußen und fahren mehr Fahrrad. Sehr hohe Temperaturen über 30 °C führen jedoch zu weniger Aktivität draußen. Auch Niederschlag ändert das Mobilitätsverhalten: Bei Regen ist Radfahren ungemütlich und bei Schnee kann es sogar gefährlich werden. In Städten wechseln die Menschen bei Niederschlag oft vom Fahrrad zum Auto oder zum öffentlichen Nahverkehr [3–6]. Weniger gut erforscht ist bisher, wie sich hohe Windstärken auf die aktive Mobilität auswirken. Die vorhandenen Studien zeigen bei hohen Windstärken einen abnehmenden Fahrradverkehr [5]. Temperaturen rund um 18 °C ohne Regen, Schnee und hohe Windstärken gelten nach bisherigem Forschungsstand als die günstigsten Bedingungen für die aktive Mobilität [3].

Da sich das lokale Wetter, die Klimazonen, Kulturen, Menschen und Infrastrukturen weltweit stark unterscheiden, ist es wichtig, regionale Studien durchzuführen, um vor Ort die Situation zu verstehen und anschließend verbessern zu können. Derzeit fordern die meisten Studien, dass das persönliche Empfinden des Wetters ebenfalls erforscht wird [3–6]: Relevant ist nicht nur die objektiv gemessene Temperatur, sondern vermutlich auch das subjektive Wetterempfinden. Wirkt sich ungünstiges Wetter beispielsweise auf die Mobilität von vulnerablen Gruppen wie älteren Menschen und Kindern aus [7]? Citizen-Science-Studien können helfen, diese Forschungslücken zu schließen.

Aktive Mobilität im Klimawandel erforschen

Städte sind besonders empfindlich für die Folgen des Klimawandels, weil viele Menschen auf engem Raum leben und es – u. a. durch versiegelte Flächen wie Straßen – weniger Grünflächen gibt, die kühlend wirken und Regenwasser aufnehmen. Derzeitige Modelle sagen zum Beispiel voraus, dass im Jahr 2100 die Anzahl der Hitzetage in Berlin von ca. 10 auf über 30 ansteigen wird [8].

Wie sich diese Entwicklungen auf die Mobilität auswirken, ist noch nicht ausreichend erforscht. Das AMBER-Team möchte zu einem besseren Verständnis beitragen: Wir untersuchen den Einfluss der stadtklimatischen Bedingungen (Temperatur, Luftfeuchte, Niederschlag und Wind) auf die Mobilität. Dazu ergänzen wir bestehende Daten und Studien mit eigenen Modellierungen – und vor allem mit zwei Citzien-Science-Studien in Berlin und Frankfurt (Oder): Über eine App werden die Teilnehmenden dokumentieren, wie sie ihre Mobilität je nach Wetter erleben und anpassen.

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Unsere Forschungsfragen:

  • Welchen Einfluss haben die aktuellen Stadtklimabedingungen in Berlin und Frankfurt (Oder) auf das Gehen, Fahrradfahren und die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Autos?
  • Welchen Einfluss hat das subjektive Wetterempfinden?
  • Um wie viele Minuten reduziert sich unsere physische Aktivität, wenn wir aufgrund von ungünstigem Wetter nicht mehr aktiv unterwegs sind?


Zitierte Literatur

1. Böcker, L., Dijst, M., and Prillwitz, J. (2013). Impact of Everyday Weather on Individual Daily Travel Behaviours in Perspective: A Literature Review. Transport Reviews, 33(1):71–91.
2. Bernard, P., Chevance, G., Kingsbury, C., Baillot, A., Romain, A.-J., Molinier, V., Gadais, T., and Dancause, K. N. (2021). Climate Change, Physical Activity and Sport: A Systematic Review. Sports Medicine, 51(5):1041–1059.3.
3. Turrisi, T. B., Bittel, K. M., West, A. B., Hojjatinia, S., Hojjatinia, S., Mama, S. K., Lagoa, C. M., and Conroy, D. E. (2021). Seasons, weather, and device-measured movement behaviors: a scoping review from 2006 to 2020. International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity, 18(1):24.
4. Timm, I., Reichert, M., Ebner-Priemer, U. W., and Giurgiu, M. (2023). Momentary within-subject associations of affective states and physical behavior are moderated by weather conditions in real life: an ambulatory assessment study. International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity, 20(1):117.
5. Galich, A. and Nieland, S. (2023). The Impact of Weather Conditions on Mode Choice in Different Spatial Areas. Future Transportation, 3(3):1007–1028.
6. Ferguson, T., Curtis, R., Fraysse, F., Olds, T., Dumuid, D., Brown, W., Esterman, A., and Maher, C. (2023). Weather associations with physical activity, sedentary behaviour and sleep patterns of Australian adults: a longitudinal study with implications for climate change. International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity, 20(1):30.
7. Liu, C., Susilo, Y. O., and Karlström, A. (2017). Weather variability and travel behaviour – what we know and what we do not know. Transport Reviews, 37(6):715–741.
8. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (2016). Ergänzung des aktualisierten Grunddatenbestandes Stadtklima um Kennwerte zum Klimawandel.