Wie erleben Bürger:innen ihre Mobilität im Alltag? 

Etwas Neues auszuprobieren, kann viel Überwindung kosten, zum Beispiel wenn man zum ersten Mal mit dem Rad zur Arbeit fährt: Vielleicht verschätzt man sich beim Zeitbedarf, hat noch nicht die optimale Route gefunden oder das Wechsel-T-Shirt vergessen. Routinen wie der morgendliche Griff zum Auto- bzw. Fahrradschlüssel oder der gewohnte Fußmarsch zur S-Bahn sind fest im Alltag verankert. Gleichzeitig hängen sie mit örtlichen Rahmenbedingungen wie der Verkehrsinfrastruktur zusammen. Im Rahmen von AMBER untersuchen wir, wie Menschen ihre alltäglichen Wege erleben – während sie sie sich wie gewohnt fortbewegen oder versuchen, neue Mobilitätsgewohnheiten aufzubauen.



„Routinen und Gewohnheiten sind wichtig, weil sie uns Halt geben und uns ermöglichen, Dinge zu tun, ohne darüber nachzudenken. Um neue, gesunde Mobilitätsgewohnheiten aufzubauen, muss  erst einmal etwas Energie und Anstrengung investiert werden. Aber: Wer es geschafft hat, kann stolz sein und fällt weniger wahrscheinlich in alte Verhaltensmuster zurück.“

Dr. Jan Keller,  
Verhaltens- und Gesundheitspsychologe an der FU Berlin


Aktive Mobilität: Vom guten Vorsatz zur Umsetzung

Öfter mal das Auto stehen zu lassen – das haben sich bereits viele Bürger:innen vorgenommen [1]. Wegen der Vorteile für Gesundheit und Klimaschutz wollen sie ihre Mobilität aktiver gestalten – beispielsweise zu Fuß gehen, Rad fahren oder die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Warum fällt es oft schwer, diesen Vorsatz ins Handeln umzusetzen – und welche Angebote könnten unterstützen?

Sowohl alte Gewohnheiten als auch äußere Umstände erschweren es, sich auf allen Alltagswegen aktiv fortzubewegen. Das zeigt sich zum Beispiel beim Einkaufen: In Städten liegen Lebensmittelgeschäfte oft in der Nähe, aber in vielen Fällen wird das Auto für den Einkauf genutzt. Damit sich ein Einkauf mit dem Fahrrad für mehr Menschen sicherer anfühlt und infrage kommt, braucht es einen geeigneten Radweg zum Supermarkt. Zudem sind Großeinkäufe für die Familie oder Wohngemeinschaft schwerer zu transportieren, was ein Hinderungsgrund für die Nutzung des Fahrrads ist. Verschiedene europäische Städte bieten deshalb bereits eine Förderung für Lastenräder an [2].

Aktiv mobil mit den öffentlichen Verkehrsmitteln

Die Nutzung des ÖPNV ist ebenfalls mit verschiedenen Erlebnissen im Alltag verbunden. Einerseits können es volle Züge und Stress beim Umsteigen erschweren, Alltagswege dauerhaft mit dem ÖPNV zurückzulegen. Anderseits kann man die Fahrzeit nutzen, um zu lesen, Musik zu hören oder sich zu unterhalten. Außerdem zeigen Studienergebnisse, dass Personen durch die ÖPNV-Nutzung durchschnittlich 8 bis 33 Minuten zusätzlich pro Tag körperlich aktiv sind [3].

Auch gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen müssen für die Verkehrsinfrastruktur und Förderung der aktiven Mobilität eine Rolle spielen. Vielversprechend sind hierfür Angebote wie der barrierefreie Rufbus BVG Muva in Berlin: Er bietet einen „Aufzugersatz“-Service, mit dem man bis zum nächsten barrierefreien Bahnhof kommt, wenn ein Fahrstuhl defekt ist.

Wie erleben Menschen ihre Alltagsrouten?

In zwei Citizen-Science-Studien i in Berlin und Frankfurt (Oder) wollen wir gemeinsam mit Bürger:innen mehr darüber lernen, wie Mobilitätsentscheidungen im Alltag ablaufen und welche Faktoren dabei wichtig sind. Dazu sind alle Bürger:innen vor Ort eingeladen – egal welche Verkehrsmittel sie nutzen und unabhängig davon, ob sie neue Mobilitätsformen ausprobieren wollen oder nicht.

Ein Teil des Citizen-Science-Projekts wird es sein, Zusammenhänge mit Gesundheits- und Umweltfaktoren zu verstehen: Die Teilnehmenden erheben Daten zur Lärmbelastung und zum Stresserleben für bestimmte Alltagsrouten. Wer Lust hat, aktive Formen der Mobilität für ausgewählte Routen zu testen, kann darüber hinaus untersuchen, wie sich die Veränderung auf die eigene Stimmung und Gesundheit auswirkt und welche Umweltauswirkungen damit einhergehen.


Unsere Forschungsfragen:

  • Wie stabil sind Mobilitätsgewohnheiten?
  • Welche Ansätze gibt es, um neue Gewohnheiten für aktive Mobilität zu schaffen und zu festigen?
  • Wie stehen Mobilitätsgewohnheiten mit dem persönlichen Erleben, der Gesundheit und Nachhaltigkeit in Verbindung?



Zitierte Literatur

1. Olsson, L. E., Huck, J., & Friman, M. (2018). Intention for car use reduction: Applying a stage-based model. International Journal of Environmental Research and Public Health, 15(2), 216. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5858285/
2. Schust, P. (03.02.2021). European Mobility Atlas 2021: Zahlen und Fakten zu Verkehr und Mobilität in Europa. https://www.experi-forschung.de/european-mobility-atlas-2021-zahlen-und-fakten-zu-verkehr-und-mobilitaet-in-europa/
3. Rissel, C., Curac, N., Greenaway, M., & Bauman, A. (2012). Physical activity associated with public transport use--a review and modelling of potential benefits. Int J Environ Res Public Health, 9(7), 2454-2478. https://doi.org/10.3390/ijerph9072454